Arbeitsrecht25.05.2021 Newsletter

Betriebsrätemodernisierungsgesetz – Überregulierung und Kostensteigerungen inbegriffen

Der Bundestag hat am vergangenen Freitag, den 21. Mai 2021, das Betriebsrätemodernisierungsgesetz beschlossen. Kernpunkte sind die Stärkung der Betriebsratsarbeit und die Digitalisierung. Kritik an den Änderungen gab und gibt es reichlich. Insbesondere hat sich der Gesetzgeber nicht der Frage gestellt, ob der Mitbestimmungstatbestand zur Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen zur Verhaltens- und Leistungskontrolle angesichts anhaltender Digitalisierung von Unternehmensprozessen modifiziert werden müsste.

Ein wesentliches Ziel des Gesetzes ist es, die Gründung von Betriebsräten zu fördern und deren Mitglieder stärker zu schützen. Mit Blick auf die bevorstehenden Betriebsratswahlen im Frühjahr 2022 sollten sich Unternehmen einen ersten Überblick über die maßgeblichen Neuregelungen verschaffen.

Die digitale Betriebsratsarbeit soll ausgeweitet werden. Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz bleiben umsetzbar und Betriebsvereinbarungen können digital signiert werden. Der Gesetzgeber stellt darüber hinaus klar, dass der Betriebsrat im Sinne des Datenschutzes nicht als verantwortliche Stelle zu sehen ist.

Daneben werden erstmals Mitbestimmungsrechte beim Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) und der Ausgestaltung mobiler Arbeit festgeschrieben. Eine solche ausdrückliche Regelung ist überflüssig gewesen.

Auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens gab es noch eine wesentliche Neuregelung zum Unfallversicherungsschutz im Homeoffice, die auch beschlossen wurde. Das Homeoffice unterliegt nun zweifelsfrei dem Unfallversicherungsschutz. Der Unfallversicherungsschutz wird dabei auch auf Wege ausgedehnt, die die Beschäftigten zur Betreuung ihrer Kinder außer Haus zurücklegen.

Als Fazit bleibt, dass mit Hilfe des neuen Betriebsrätemodernisierungsgesetzes sich die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt kaum bewältigen lassen. Eine wirkliche Modernisierung des Betriebsverfassungsrechts steht damit weiterhin aus. Das Thema Digitalisierung wird nur zögerlich behandelt. Die von der Praxis erhofften Regelungen, wie zum Beispiel die Fortschreibung des § 129 Abs. 2 BetrVG (Möglichkeit von Einigungsstellensitzungen via Video- und Telefonkonferenz), die Konkretisierung des Betriebsbegriffs oder Klarstellungen zur technischen Verhaltens- und Leistungskontrolle fehlen gänzlich.

Konkret sieht das Gesetz folgende Änderungen vor:

Erleichterung von Betriebsratsgründungen und -wahlen

Die Gründung von Betriebsräten soll erleichtert werden, insbesondere in kleineren Unternehmen. Dazu wird der Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens ausgeweitet und die Zahl der erforderlichen Stützunterschriften für Wahlvorschläge reduziert. In Zukunft soll das vereinfachte Wahlverfahren für Betriebe mit 5 bis 100 Beschäftigten verpflichtend zur Anwendung kommen. In Betrieben mit 101 bis 200 Beschäftigten kann die Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens zwischen Unternehmen und Wahlvorstand vereinbart werden.

In sehr kleinen Betrieben mit bis zu 20 wahlberechtigten Beschäftigten soll künftig auf das Erfordernis von Stützunterschriften verzichtet werden. Dagegen werden in kleineren und mittleren Betrieben die Schwellenwerte für die Stützunterschriften positiv festgeschrieben und abgesenkt. Dadurch sollen insbesondere formale Hürden bei der Betriebsratswahl vermieden werden.

Das Recht zur Anfechtbarkeit von Betriebsratswahlen wegen Fehlern in der Wählerliste wird eingeschränkt, um die Rechtssicherheit von Betriebsratswahlen zu steigern. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Grund für die Anfechtung in der Unrichtigkeit der Wählerliste liegt und zuvor die rechtlich vorgesehene Möglichkeit eines Einspruchs zur Klärung eines solchen Wahlfehlers nicht genutzt wurde. Gleiches gilt für eine Anfechtung durch das Unternehmen, wenn dieses die Unrichtigkeit der Wählerliste zu verantworten hat.

Darüber hinaus wird der Kündigungsschutz zur Sicherung der Wahlen zum Betriebsrat und zur Bordvertretung verbessert. Mit der Änderung des Kündigungsschutzgesetzes wird die Anzahl der in der Einladung zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordvertretung bzw. Antragstellung zur Bestellung eines Wahlvorstands genannten Beschäftigten, die dem Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 3a Satz 1 KSchG unterfallen, von drei auf sechs erhöht. Außerdem beabsichtigt die Neuregelung des § 15 Abs. 3b KSchG den Schutz der „Vorfeld-Initiatoren“, also derjenigen Beschäftigten, die sich vor der Veröffentlichung des Einladungsschreibens zu einer Wahlversammlung für die Gründung eines Betriebsrats einsetzen. Voraussetzung für diesen speziellen befristeten Kündigungsschutz vor personen- und verhaltensbedingten ordentlichen Kündigungen ist eine öffentlich beglaubigte Erklärung der Initiatoren nach § 129 BGB darüber, dass sie einen Betriebsrat gründen möchten und auch entsprechende Vorbereitungshandlungen dafür unternommen haben. Der Kündigungsschutz beginnt mit der Beglaubigung der Unterschrift unter der Absichtserklärung und endet mit dem Zeitpunkt der Einladung zur Betriebsversammlung, spätestens jedoch drei Monate nach dem Zeitraum der Beglaubigung.

Zweifelhaft bleibt, ob die beschlossenen Neuregelungen wirklich dazu beitragen, Betriebsratswahlen zu erleichtern und Unternehmen davon abhalten, diese zu verhindern. Bereits jetzt stellt die Behinderung einer Betriebsratswahl eine Straftat gem. § 119 Abs.1 Nr.1 BetrVG dar. Auch werden die einzelnen Änderungen alleine nicht ausreichen, die verhältnismäßig geringe Zahl von Betriebsräten zu erhöhen, zumal die Ursache nicht allein beim Unternehmen zu suchen ist. Gerade in kleineren Betrieben findet in den meisten Fällen ein direkter Austausch zwischen Unternehmen und Beschäftigten statt, ein zwischengeschalteter Betriebsrat ist damit überflüssig.

Der erweiterte Kündigungsschutz erhöht außerdem das Risiko, dass einzelne Beschäftigte Betriebsratswahlen einzig und allein mit dem Ziel dieses besonderen Schutzes einleiten werden.

Vereinfachung der digitalen Betriebsratsarbeit

Bis zum 30. Juni 2021 ist die Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz gem. § 129 BetrVG möglich. Unabhängig von der Covid-19-Pandemie sieht die Gesetzesänderung auch künftig eine digitale Durchführung von Sitzungen und Beschlussfassungen vor. Grundsätzlich gilt weiterhin der Vorrang der Präsenzsitzung. Betriebsräte erhalten aber die Möglichkeit, eine Durchführung mittels Video- und Telefonkonferenz in ihrer Geschäftsordnung unter selbst gesetzten Rahmenbedingungen festzulegen. Die Nutzung solcher Medien ist nur zulässig, wenn nicht zuvor ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats dem Verfahren widersprochen hat und sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Des Weiteren ist zu begrüßen, dass in Zukunft Betriebsvereinbarungen auch unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossen werden können.

Mit dem neu eingefügten § 79a BetrVG beabsichtigt der Gesetzgeber, die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit nach der Datenschutz-Grundverordnung bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat gesetzlich klarzustellen. Danach trägt das Unternehmen die datenschutzrechtliche Verantwortung für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat, während der Betriebsrat die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten hat.

Der Gesetzgeber hat sich damit der herrschenden Auffassung in der juristischen Literatur angeschlossen. Dagegen bleibt offen, was der Gesetzgeber mit einer wechselseitigen Unterstützung von Unternehmen und Betriebsrat bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften genau meint (vgl. § 79a Satz 3) und wie etwaige Verstöße zu sanktionieren sind. Auch die Rolle des Datenschutzbeauftragten im Verhältnis zum Betriebsrat bleibt weiterhin ungeklärt. Trotz Neuregelung fehlt es somit an der erhofften Klarstellung im Datenschutzrecht.

Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit

Schon jetzt sind Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Einführung von mobiler Arbeit bzw. Homeoffice-Arbeitsplätzen regelmäßig zu berücksichtigen.  Hier bestand somit keine Regelungslücke. Dennoch wird durch § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG nF ein neues Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit eingeführt. Das neue Mitbestimmungsrecht bezieht sich insbesondere auf alle Regelungen des „Wie“, d. h. von Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie über den Ort der mobilen Arbeit, bis hin zur Ausstattung der einzelnen Beschäftigten. Die Entscheidung nach dem „Ob“ der mobilen Arbeit verbleibt hingegen auch zukünftig beim Unternehmen.

Künstliche Intelligenz

Mit fortschreitender Digitalisierung gewinnt auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im betrieblichen Kontext immer mehr an Bedeutung. Die Neuregelung sieht daher vor, dass der Betriebsrat künftig einen Sachverständigen zur Bewertung von KI hinzuziehen darf, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Unternehmen müssen sich daher auf einen enormen finanziellen Mehraufwand in dieser Thematik einstellen.

Des Weiteren gelten die Unterrichtungsrechte des Betriebsrats gem. § 90 Abs.1 Nr. 3 BetrVG bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen auch dann, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung von KI erstellt werden. Dies gilt gleichermaßen beim Einsatz von KI bei der Entwicklung von Auswahlrichtlinien für die Personalauswahl gem. § 95 Abs. 2a BetrVG nF. Die Änderungen haben somit nur eine klarstellende Funktion, während eine grundlegende Modernisierung weiterhin ausgeblieben ist.

Sonstiges zur Betriebsverfassung

Kommt in Zukunft im Rahmen von Beratungen keine Einigung über Maßnahmen der Berufsbildung zustande, kann das Unternehmen oder der Betriebsrat die Einigungsstelle um Vermittlung anrufen. Zudem wird fortan beim aktiven und passiven Wahlrecht zur Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) bei Auszubildenden nur noch auf den Status, nicht aber auf das Alter abgestellt. Daneben wird die Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens bei den Betriebsratswahlen auch bei der JAV erweitert.

Unfallversicherungsschutz im Homeoffice

Der Unfallversicherungsschutz im Homeoffice wurde bislang sehr strikt beurteilt. Dies hat das Bundessozialgericht jüngst bestätigt. Mit einer Änderung des § 8 SGB VII wird nun der Versicherungsschutz im Homeoffice dem Versicherungsschutz an der betrieblichen Arbeitsstätte gleichgestellt. Ferner werden auch Wege zwischen Homeoffice und dem Ort der Kinderbetreuung versichert sein.

 

 

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Jörn Kuhn

Jörn Kuhn

PartnerRechtsanwaltFachanwalt für Arbeitsrecht

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