Prozessführung und Schiedsgerichtsverfahren
Was müssen Unternehmen im Zuge der Nachhaltigkeitstransformation in der Gesellschaft beachten?
ESG- und klimawandelbezogene Themen dominieren die rechtliche, politische und geschäftliche Tagesordnung. In der gesamtgesellschaftlichen Transformation zu mehr Nachhaltigkeit spielen Unternehmen neben den Staaten eine zunehmend größere Rolle. Das zeigt sich unter anderem durch verstärkte gesetzgeberische Regulierung des Nachhaltigkeitsbereiches beispielsweise durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und die Taxonomie-VO der EU. Gerade auch im Bereich Klimaschutz hat sich der deutsche Gesetzgeber durch Unterzeichnung des Pariser Abkommens selbst zur Einhaltung des 1,5 Grad Zieles verpflichtet, weshalb auch in diesem Bereich in näherer Zukunft mit einer Weitergabe der Verpflichtungen an Unternehmen zu rechnen ist.
Schon jetzt fordern private Akteure, also Einzelpersonen, Verbände und NGOs, das Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit verpflichtet werden. Um deren nachhaltigeres Wirtschaften und klimapositiveres Verhalten zu erreichen, betreiben private Akteure allein oder gemeinsam mit Verbänden sogenannte strategic litigation, also strategische Prozessführung, gegen gezielt ausgewählte Unternehmen. Fehlende Rechtsprechung bedeutet für die beklagten Unternehmen eine große Unsicherheit in Bezug auf den Prozessausgang. Hinzu kommt öffentlicher Druck durch die mediale Aufmerksamkeit.
Welche Arten von Rechtsstreitigkeiten können auf Unternehmen zukommen?
Bisherige Verfahren zeigen potenzielle Rechtsstreitigkeiten in verschiedenen Bereichen. Sie können für Unternehmen große Haftungsrisiken darstellen.
- Climate Change Litigation: Durch Klimaklagen sollen Unternehmen zu klimapositivem Verhalten oder zur Zahlung von Schadensersatz bzw. zur Zahlung von Kosten für die Beseitigung von Beeinträchtigungen aufgrund des Klimawandels verpflichtet werden. In Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten sind aktuell mehrere Verfahren dieser Art rechtshängig. An höchstrichterlicher Rechtsprechung fehlt es bisher jedoch. Aus diesem Grund gilt es, sorgfältig zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Verantwortlichkeit besteht. Von den deutschen obersten Gerichten noch nicht entschieden ist unter anderem die Frage, ob Unternehmen nur für unternehmenseigenes Verhalten oder aber auch für Emissionen aus der Nutzung der hergestellten Produkte durch Verbraucher und Emissionen aus der Lieferkette haften.
- Greenwashing Litigation: Sofern Unternehmen ihre Produkte oder Prozesse öffentlichkeitswirksam als umweltschonend oder nachhaltig klassifizieren und bewerben, obwohl diese den beworbenen Standards nicht entsprechen, können Klageverfahren drohen. Klagen dieser Art können aufgrund der Taxonomie-VO vor allem Finanzdienstleister, letztlich aber auch jedes andere Unternehmen betreffen, wenn es sich bei der Werbung um eine irreführende geschäftliche Handlung nach dem UWG handelt.
- Shareholder Activism: Indem Aktivisten Anteilseigner von Unternehmen werden, können sie unter bestimmten Voraussetzungen gegen den Vorstand klagen, wenn von diesem keine ausreichende Maßnahmen für mehr Klimaschutz und mehr Nachhaltigkeit ergriffen werden. Auch wenn nach deutschem Recht grundsätzlich der Aufsichtsrat für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand zuständig ist, kann von Aktionären eine derivate Haftungsklage im Namen der Gesellschaft erhoben werden.
- CSDDD-Litigation: Durch die EU-Richtlinie wurde eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen gegenüber Privatpersonen geschaffen, wenn die betroffenen europäischen Unternehmen für Missstände entlang ihrer Wertschöpfungskette verantwortlich sind. Die CSDDD legt den verpflichteten Unternehmen weitreichendere Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Einhaltung menschenrechtlicher und umweltrechtlicher Vorgaben in ihren Lieferketten auf, als es das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz derzeit tut. Es greift insbesondere auch das im Pariser Abkommen festgelegte 1,5-Grad-Ziel auf. Abzuwarten bleibt, wie sich das Klageverhalten von Personen entwickelt, die nach den Regelungen der CSDDD geschädigt worden sind.
Was raten wir Unternehmen?
Die Zahl und Vielfalt von Klagen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und dem Klimawandel haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Waren Beklagte zunächst Staaten und deren Einrichtungen, ist schon länger der Trend dahingehend zu erkennen, dass private Akteure ihre Klagen gegen Unternehmen richten. Die Haftung von Unternehmen für den Klimawandel und andere ESG-bezogene Themenfeldern hat rechtliche, finanzielle und reputationsbezogenen Dimensionen für Unternehmen.
Die Kläger nutzen die mediale Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit den Verfahren, um das Verhalten (nicht nur) der beklagten Unternehmen zu beeinflussen. Es gilt daher, frühzeitig zu handeln und Prozessanwälte nicht nur im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung sondern schon in der Compliance-Beratung einzuschalten, um Prozessrisiken zu minimieren und sich auf bevorstehende Verfahren vorzubereiten. Der Kreis der potenziellen Kläger ist groß, da je nach Betroffenheit Private allein oder gemeinschaftlich mit Verbänden Klagen erheben können. Unternehmen sollten daher sorgfältig prüfen (lassen) wie eine Haftung vermieden werden kann.